Die Brennerbande, Teil 03


Die Bande brauchte nicht lange zu überlegen, ob sie dorthin gehen wollten. Es war viel mehr eine Frage, ob sie es sich leisten konnten, die Schienenbahn zu nehmen oder ob sie die ganze Strecke zu Fuß gehen mussten. Zum Wochenende hatten zwar alle ihren Lohn erhalten, aber das meisten davon behielten die Eltern für Miete und Unterhalt ein. Kim, Tiscio und Malandro wussten sehr genau, aus was der Unterhalt für ihre Väter und Mütter bestand. Sie machten sich aber nie Gedanken darüber, dass es eigentlich ungerecht war, dass sie Geld anschleppten, welches für Besäufnisse ausgegeben wurde, die wiederum dazu führten, dass sie verprügelt wurden. So war es eben. Aber auf die selbe Weise machten sie sich keine Gedanken darüber, dass sie ihre Familien über ihren tatsächlichen Verdienst belogen hatten und so immer ein wenig Taschengeld über das benötigte Fahrtgeld zur Arbeit hinaus zur Verfügung hatten.
Trotzdem war jeder Groschen teuer und die sieben, die jeder von den größeren sich wöchentlich ergaunerten mussten auch für die Fahrten von und zur Arbeit reichen. Malandro hatte zusätzlich noch andere Ausgaben, über die er als Gentleman, als den er sich empfand, jedoch schwieg. Deshalb viel die Entscheidung am Ende doch leicht und sie gingen zu Fuß, auch wenn dies bedeutete, dass sie dem Brennerbogen gefährlich nahe kamen. Am Ende waren sie aber schnell genug bei der Universität und damit auf neutralem Grund, denn die Kinder dieser Gegend hatten zu viel zu verlieren, um sich bei Raufereien erwischen zu lassen.

Das Naturkundemuseum stand allen Bürgern Xpochs offen, solange sie sich friedlich und sittsam benahmen. Neben den Skeletten und ausgestopften Präparaten von einheimischen Tieren konnte man auch drei gar scheußlich anzusehende Chuor in ewiger Angriffspose betrachten und auch eine Reihe Skelette verschiedener halbmenschlicher Rassen. Nachdem es einige unschöne Auseinandersetzungen mit den Minderheiten (vor allem den Chuor) gegeben hatte, war das Museum für alle Nichtmenschen gesperrt worden.
Die Chuor interessierten die Feldstrassler allerdings weniger, da Alna Angst vor ihnen hatte, wie sie vor allen Hunden Angst hatte - ein Vergleich, den man in Xpoch besser für sich behielt.
Seltsamerweise hatte sie vor dem Gentur, der ausgestopft in voller Panzerung mit aufgerissenem Maul einen eigenen Raum belegte, keine Angst. Hätte man die Ausstellungsstücke berühren dürfen, sie hätte sich wahrscheinlich eher an ihn gekuschelt. Für die Jungs (und jungen Männer, wie sie sich gerne betrachteten) waren aber zwei andere Räume noch wichtiger. Der erste war das Daemonium, ein Raum ohne vollständige Skelette oder Präparate, dafür aber mit vielen Einzelteilen, wie z.B. Krallen, Hörnern, Zähnen und auch drei Schädeln, die man von hingerichteten [Dämonen] hatte ergattern können. Auf Grund der besonderen Fähigkeiten der [Dämonen] war es nicht gestattet, komplette Körper zur Schau zu stellen, aus Angst, dass sie sich wieder selbst heilen könnten. Und das war das letzte, was man sich bei einem verurteilten und hingerichteten Verbrecher wünschte.
Das wichtigste Skelett des Museums war jedoch jenes der ausgestorbenen Flugechsen, die gemeinhin als Drachen bezeichnet wurden. Es füllte einen Raum so groß wie ein Tempel und die Verehrung die ihm entgegengebracht wurde von andächtigen Kindern wie auch Erwachsenen entsprach der Stimmung in den Gotteshäusern. Wenn es im Museum schon ruhig und gesittet zuging, so wagte man in diesem Raum nur zu schleichen. Nur einmal hatte Tiscio gewagt eine abfällige Äußerung in diesem Saal zu machen und war mit bösen Blicken augenblicklich zum Schweigen gebracht worden.

Die Kinder aus der Feldstrasse